Lernsequenzen Unterrichtsmaterialien zum Thema Energie | Sekundarstufe 1 Heft 7 Ökonomie der Energiewirtschaft

Vorwort Sehr geehrte Lehrkräfte, die Erziehung und die Ausbildung junger Men- schen sind zwei wesent- liche Herausforderungen einer jeden Gesellschaft. Ein Großteil der in die- sem Bereich erforderli- chen Arbeit wird in der Schule geleistet. Um Lehrerinnen und Leh- rer bei dieser wichtigen Aufgabe zu unterstüt- zen, hat der Bundesverband der Energie- und Wasser- wirtschaft die Reihe „Lernsequenzen“ erarbeitet. Mit diesen Materialien für die Sekundarstufe 1 möchte der BDEW einen wichtigen Beitrag zu Ihrer Unterrichtsvor- bereitung leisten. Ziel unseres Angebots ist es, Ver- ständnis für den Wert unserer Ressourcen zu schaffen und so den bewussten Umgang mit Strom, Erdgas und Trinkwasser im Alltag zu üben. hunderts für Strom und Gas in Deutschland entwickelt haben. Wir betrachten, welcher ordnungspolitische Rah- men aufgebaut wurde und wie sich die wirtschaftswis- senschaftliche Diskussion in Europa im Laufe der Zeit entfaltet und sich den jeweils aktuellen Diskussionen und globalen Erfordernissen angepasst hat. Die historischen und gesetzlichen Voraussetzungen führen uns dann zum Kernstück unserer Fragestellung: Welche Mechanismen haben die Energiemärkte? Wie funktionieren sie? Welche Akteure sind beteiligt und welche Zusammenhänge sind zu beachten? An dieser Stelle wollen wir das Institut für ökonomische Bildung in Oldenburg hervorheben, in dem die Arbeits- blätter für das vorliegende Heft erstellt worden sind. Wir bedanken uns für die didaktische Unterstützung. Wir hoffen, Ihnen und Ihren Schülern mit diesem und den folgenden Heften einen differenzierten Einblick in das komplexe Thema Energie geben zu können und ihre Unterrichtsvorbereitung auf eine fundierte Basis zu stellen. Im vorliegenden Heft der Lernsequenzen wollen wir die technischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen nachvollziehen, wie sie sich seit dem Ende des 19. Jahr- Hildegard Müller Vorsitzende der BDEW Hauptgeschäftsführung

Einleitung 3 Energie ist ein Schlüsselfaktor jeder Volkswirtschaft. Energie wird praktisch immer und überall benötigt. Wie ist der entsprechende Wirtschaftszweig strukturiert? Was haben wir unter dem Begriff Energiewirtschaft genau zu verstehen? Wie funktioniert die Ökonomie der Energiewirtschaft? Wir fassen in der vorliegenden Lernsequenz unter dem Begriff Energiewirtschaft ganz allgemein alle wirtschaft- lichen Aktivitäten zusammen, die der Bereitstellung von leitungsgebundener Energie, also Strom und Gas, für private Haushalte, Unternehmen und den öffentlichen Bereich dienen. Gewinnung, Lagerung und Umwand- lung zählen ebenso dazu wie Transport, Handel und Verteilung. Die Energiewirtschaft in Deutschland ist pluralistisch strukturiert. Die verschiedenen Branchen weisen unter- schiedliche Unternehmensstrukturen auf. Die Spannbreite reicht von einem Anbieter im deutschen Steinkohleberg- bau bis zu etwa 1100 Unternehmen im Strombereich. Auch die Gasversorgung ist mit 700 Unternehmen breit aufge- stellt. Die Energiewirtschaft besitzt ein 7_0_1 beachtliches beschäftigungspolitisches Gewicht. Bei der Investitionstätigkeit nehmen die Branchen eine Spitzen- stellung ein. Die Energieversorgungsunternehmen inves- tierten 2007 8,5 Mrd. Euro in Sachanlagen. Zusammen genommen sind es viele unterschiedli- che Unternehmen, die eine wichtige Bedeutung, eine Schlüsselfunktion für die Volkswirtschaft haben. Die Energiewirtschaft liefert Güter, auf die andere Bereiche nicht verzichten können. Einfach jedes Unternehmen, der Maschinenbauer ebenso wie der Landwirt, benötigt Energie, in diesem Fall Strom und Gas, für seine Aktivi- täten. Auch Dienstleistungsbetriebe wie ein Friseur oder eine Pizzeria sind auf Energie angewiesen. Neben der Umweltverträglichkeit und der Versorgungs- sicherheit ist die Wirtschaftlichkeit ein unverzichtbarer Bestandteil einer ausgewogenen Energieversorgung. Preisschwankungen auf den internationalen Märkten für Primärenergieträger und steigende Energiekosten der Haushalte und der Wirtschaft in vielen Industrie- und Schwellenländern der Welt haben dem Thema mit Recht einen hohen Stellenwert in der öffentlichen Diskussion verschafft. Was kann man mit 1 kWh für 20 Cent alles machen?

1 Zur Geschichte der leitungsgebundenen Energieversorgung 5 1.1 Das fünfte Element oder die unsichtbare Energie „Gelt, jetzt haben wir’s Elektri!“ sagte die Weberin. „Wir haben’s billig, weißt! Sonst wär ich beim Petroli blieben. Aber kamod ist der Elektri, ja, gar arg kamod! Bloß ein Druckerl därfst machen!“ Sie griff in die Fenster nische und drehte den schwarzen Knopf der Leitung. „Da schau, jetzt brennt’s.“ Die tragische Liebesgeschichte „Gewitter im Mai“ von Ludwig Ganghofer aus dem Jahr 1904 kreist durch- gängig um das Thema Elektrizität. Der Seemann Poldi Hohenleitner, der auf den Schiffen, die die Weltmeere befahren, ein Zuhause gefunden hat, war sieben Jahre fort. Beim ersten Besuch in der Bergwelt seiner Heimat stellt der weltläufige Seemann fest, dass der technische Fortschritt in den bayrischen Alpen Einzug gehalten hat. Die Erzählung ist ein frühes literarisches Zeugnis über die technischen Möglichkeiten und frühen Gefahren, der Entwicklungsmöglichkeiten und dem Wohlstand, den der elektrische Strom für die Menschen gebracht hat. Denn: Von der Erforschung der Elektrizität und ihrer Anwendung hatte eine breite Öffentlichkeit bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts wenig erfah- ren. Elektrisiermaschinen versetzten die Leute auf Jahrmärkten zwar in Erstau- nen. Und ab 1845 benutzte man gele- 7_1.1_1 gentlich das elektrische Bogenlicht zur Beleuchtung von Baustellen, Bahnhöfen, Häfen, Leuchttürmen und sogar Schlachtfeldern. Durchsetzen konnte es sich aber nicht, da es wegen zu großer Helligkeit blendete, nur kurz- zeitig brannte, flackerte und viel Strom und Sauerstoff verbrauchte. Eine Ausnahme bildet die elektrische Tele- grafie. Sie war bekannt und auch weit verbreitet. Im Jahr 1866 entdeckte Werner von Siemens das Dynamo-Prinzip und baute die Maschine, die Bewegungs- energie in elektrische Energie umwandelt, den Generator (siehe LS Heft 2). Mit dieser Entdeckung ließ sich erstmals in großem Umfang elektrische Energie erzeugen. Erste private Initiativen versuchten sich diese Erfindung nutzbar zu machen. Wer Strom haben wollte konnte ihn erzeu- gen, indem er einen Generator mit einer Dampfmaschine (siehe LS Heft 2) oder einem Wasserrad (siehe LS Heft 3) koppelte. Bis ins 20. Jahrhundert gab es viele solcher pri- vaten Klein-Kraftwerke, so genannte Blockstationen. Mit der Glühlampe fing alles an Als 1881 technisch Interessierte die Elektrizitätsausstel- lung in Paris besuchten, war unter Ihnen auch der Berli- ner Maschinenfabrikant Emil Rathenau, der neue Betä- tigungsfelder für sein breit gefächertes unternehmerisches Engagement suchte. In Paris wurde er fündig. Ihn faszinierte jene kleine, matt glühende Lampe, die 7_1.1_2 m u e s u M s e h c s t u e D : o t o F Morse-Farbschreiber, 1870 Edison Glühlampe, um 1885 m u e s u M s e h c s t u e D : o t o F

m u e s u M s e h c s t u e D : o t o F 7 von Miesbach nach München (57 km). Sie wurde zum Standard für eine verlustarme elektrische Energieüber- tragung über weite Strecken. Die Verwendung des 1885 patentierten Transformators (siehe LS Heft 4) ermöglichte es, den Strom mit Hoch- spannung zu den Verbrauchsschwerpunkten zu leiten und dann auf die gewünschte niedrigere Spannung umzuspannen. Dadurch konnten Kraftwerke mit größerer Leistung an die Peripherie der Städte verlagert werden. Überlandzentralen schlossen die Lücken Um auch die ländlichen Gebiete und kleinere Gemein- den zu elektrifizieren, entstanden etwas später die so genannten Überlandzentralen, die mit Wechselstrom eine flächendeckende Versorgung ermöglichten (siehe LS Heft 4). Bald verflochten städtische Netze mit denen von Überlandzentralen. So entstand über den Stadt- werken eine zweite Ebene der Stromversorgung, aus der die heutigen Regionalversorger (siehe LS Heft 4) hervorgingen. Nach dem ersten Weltkrieg zeichnete sich eine dritte Ebene der Stromversorgung ab, die auch die Netze der Regionalversorger landes- und reichsweit verknüpfte. Am Ende entstand eine das ganze Reich durchziehende „Sammelschiene“ für 220 kV, welche die 110-kV-Lei- tungen der Landesversorgungen überlagerte, sie mit- einander verknüpfte und zum heutigen Verbundsystem wurde (siehe LS Heft 4). Dreistufiges System der Strom versorgung So entwickelte sich in Deutschland ein drei- stufiges System der öffentlichen Stromversor- gung: Die Verbundunternehmen waren für die 7_1.1_7 m u e s u M s e h c s t u e D : o t o F Messraum der internationalen Elektrizitätsausstellung im Glaspalast, München, 1882 (Holzschnitt) Kraftübertragung Miesbach – München auf der internationalen Elektrizitäts- ausstellung, München, Blick auf den Wasserfall, 1882 (Holzschnitt) 7_1.1_6 Sie wurden meistens mit Gleichstrom betrieben und versorgten Haushalte und Betriebe, die in einem bestimmten Radius um das Elektrizitäts- werk herum lagen. Die kommunalen Kraftwerke verdrängten die privaten Blockstationen. Strom diente damals fast ausschließlich der Beleuchtung. Die ältesten deutschen Stromversorger sind Stadtwerke oder aus solchen hervorgegangen. Die prominentes- ten Beispiele solcher Unternehmen sind die Städtischen Electricitäts-Werke in Berlin (Bewag – 1884), die Ham- burgische Electricitäts-Werke AG (HEW – 1894) und die Rheinisch-Westfälischen Elektrizitäts-Werke in Essen (RWE – 1898). Weite Strecken zurücklegen – das Netz entsteht 1882 demonstrierte auf der Münchner Elektroausstel- lung der Energieplaner Oskar von Miller der Öffentlich- keit die von Marcel Deprez entwickelte Hochspannungs- übertragung (siehe LS Heft 4) mit 2 kV Gleichstrom

s e g a m i - g k a : o t o F 9 Bessere Auslastung treibt die Entwicklung voran 7_1.1_11 Die Auslastung der Elektrizitätswerke konnte nur durch einen Ausgleich der Belastung verbes- sert werden. Betriebswirtschaftlich gesehen war es das Ziel, wie bei allen anderen Produktionsprozessen auch, den Nutzen der eingesetzten Betriebsmittel, d. h. alle Anlagen, Geräte, Maschinen und sonstige Arbeitsmittel, zu maximieren. Deshalb bemühten sich die Elektrizitäts- erzeuger und die Elektroindustrie um die Erschließung neuer Anwendungsmöglichkeiten des Stroms – ins- besondere für Wärme und Kraft. 1890 kamen die ersten Koch- und Heizgeräte auf den Markt, 1882 gab es das elektrische Bügeleisen, 1900 die Roll treppe, 1901 den Staubsauger, 1908 die elektrische Schreibmaschine usw. Die entscheidende Ausweitung der Stromproduktion, die sich zum Beispiel im Deutschen Reich von 1900 – 1912 um das Achtfache steigerte, ging von der industriellen Produktion aus. Stand zunächst der Stromverbrauch für Beleuchtung an erster Stelle, so erhielt nach 1900 die Verwendung für „Kraftzwecke“ den Vorrang. Der erste Weltkrieg – die Elektrizität setzt sich durch 7_1.1_10 Der erste Weltkrieg brachte erstaunlicherweise einen Schub für die Elektrifizierung. Der Man- gel an Leuchtstoffen, Kohlen und nicht zuletzt Erster elektrischer Fahrstuhl, ausgestellt auf der Mannheimer Indus- trie ausstellung (Pfalzgau-Ausstellung) 1880, gebaut von Werner Siemens. Er beförderte mit 0,5 m/sek. Personen auf einen 20 m hohen Aussichtsturm. Der Elektromotor befand sich unter der Kabine. an qualifizierten Arbeitskräften beschleunigte den Anschluss an die öffentliche Stromversorgung vor dem Hintergrund einer nach Rationalisierung drängenden Kriegswirtschaft. Trotz der mit zunehmender Kriegsdauer erschwerten Netzausbaubedingungen – 1916/17 musste beispiels- weise ein großer Teil der Kupfer- durch Eisenleitungen ersetzt werden – verdoppelte sich bis 1918 die Anzahl der Kleinabnehmer. Triebfedern dieser Entwicklung waren auf der einen Seite die akute Verknappung von Petroleum und anderseits die gezielte Werbung der Energieversorgungsunternehmen. Trotz der großen Probleme, die unter den Bedin- gungen des Krieges bestanden, hatte der Zeitraum 1914 – 1918 für die Verbreitung der Elektrizität eine Art „Kleingerät Anno 1905“, die Siemens-Entstaubungspumpe, der Vorgänger des heutigen Staubsaugers. m u e s u M s e h c s t u e D : o t o F

s e g a m i - g k a : o t o F Auffüllen des Gasballons, Holzstich nach Zeichnung von Albert Tissandier, 1876 7_1.2_2 Ferngas geliefert wurde. Als dann infolge der Kohle krise dem Kokereigas niemand mehr eine Chance gab, hielt man Aus- schau nach Ersatz. Und der wurde gefunden: Am 29. Juli 1959 bohrte die Niederländische Erdölgesellschaft Nederlande Aardolie Maatschappij (NAM) mit „Slochteren I“ in einem Zuckerrübenfeld bei Groningen ein Gaslager an. Die Techniker ahnten, dass sie eines der größten Erdgasvorkommen der Welt ent- deckt hatten. Europa macht sich selbständig Der Transportweg des Erdgases aus den USA nach Europa per Schiff entfiel nun. Die reichen Vorkommen in Europa eröffneten glänzende geschäftliche Perspek- tiven. Mit seinem niedrigen Preis und seinem höheren Brennwert war Erdgas zunächst für die Verbraucher von Prozesswärme in der Chemie- und Schwerindustrie eine Alternative zum Kokereigas. Außerdem lag es im Inter- esse staatlicher Energiepolitik, sich bei den Energiebe- zugsquellen viele Optionen offen zu halten. Mitte der sechziger Jahre begann die Erdgasförderung durch Bohrinseln in der Nordsee. Mittlerweile besteht in Europa ein Erdgastransportnetz, das von Norwegen bis nach Algerien und vom Atlantik bis nach Sibirien reicht. 11 Trotz der begrenzten Zahl der Förderländer breit aufgestellt In Deutschland werden jährlich rund 1 000 Mrd. kWh Erdgas für die Stromproduktion in Kraftwerken, Ver- brennungsprozesse in der Industrie und für das Heizen und Kochen in privaten Haushalten verbraucht. 15 % des gesamten Erdgasaufkommens können durch Eigen- förderung gedeckt werden. Der Großteil wird nach wie vor importiert. So stammen zurzeit 34 % aus Russland. 25 % des Bedarfs liefern Produzenten aus Norwegen, weitere 20 % des deutschen Gasaufkommens stammen aus den Niederlanden. Sechs Prozent schließlich werden durch Lieferungen aus Groß britannien, Dänemark und weiteren Staaten abgedeckt. Gasmoleküle – so schnell wie ein Mofa 7_1.2_3 Bis in deutschen Haushalten mit Erdgas geheizt oder gekocht werden kann, hat der Energieträger also meist einen lan- gen Weg hinter sich. Ein Gasmolekül bewegt sich etwa in der Geschwindigkeit eines Mofas und ist z. B. aus Sibirien deswegen ungefähr acht Tage lang unterwegs, um von den riesigen Förderstätten Russlands bis nach Deutschland transportiert zu wer- den. Bei der Förderung aus den unterirdischen Lager- stätten strömt das Erdgas mit hohem Druck aus dem Bohrloch. Es wird in das Fernleitungsnetz eingespeist und auf den für den Transport notwendigen Fernlei- tungsdruck eingestellt. Während des Gasflusses über längere Strecken fällt der Druck durch die Reibung der Gasmoleküle untereinan- der und an den Rohrwänden ab. Der so verminderte Druck muss in so genannten Verdichterstationen wieder erhöht werden. Dies geschieht im Fernleitungsnetz alle 100 bis 200 km. Hohe Erschließungskosten Aus Norwegen kommt ein Viertel des in Deutschland benötigten Erdgases. Gefördert wird es aus Reservoirs, die sich mehrere Kilometer unter dem Meeresboden der norwegischen Nordsee befinden. Bei der Erschließung des etwa 100 km nordwestlich der Stadt Bergen gele- genen Troll-Feldes waren 4,1 Mrd. Euro nötig, um För- derplattformen und Aufbereitungsanlagen zu errichten. Das Troll-Feld zählt neben dem Groningen-Feld zu den größten bisher entdeckten Erdgasvorkommen in West- europa.

Das europäische Erdgasverbundnetz sich Erdgas sehr gut speichern und ist somit von der unmittelbaren Förderung unabhängig. 7_1.2_7 Regionalversorger übernehmen das Gas aus den Fern- gasleitungen und transportieren es in Leitungen, sozu- sagen über die Landstraßen des Gasnetzes, in die Ver- brauchsgebiete. Das wichtige Bindeglied zu den Kunden sind die lokalen Versorger und Stadtwerke. Durch ihre verästelten feinmaschigen Netze, ähnlich Orts straßen, Gassen und Wegen, versorgen sie zuverlässig die ein- zelnen Haushalte. Insgesamt betreiben die rund 700 deutschen Erdgasun- ternehmen ein etwa 380 000 km langes Leitungsnetz, das alle drei Transportstufen (also Fern- gasgesellschaften, Regionalversorger und Stadtwerke) umfasst, sowie 46 Erd- gasspeicher. 7_1.2_8 Geringster CO2-Ausstoß unter den fossilen Energieträgern 13 Pipelines im europäischen Erdgasnetz bestehende Pipelines Pipelines im Bau oder in Planung Andere Pipelines bestehende Pipelines Pipelines im Bau oder in Planung Flüssigerdgas (LNG)-Anlandeterminal in Betrieb im Bau oder in Planung Erdgasfelder Quelle: Eurogas noch weiter vermindert werden können. Wichtig in der aktuellen Klimadiskussion ist zweifellos, dass das relativ kohlenstoffarme Erdgas den geringsten Kohlen dioxid-Ausstoß unter den fossilen Energieträgern hat. 7_1.2_9 CO2-Emissionen im Vergleich (CO2/kWh) 400 300 200 100 “ e r ä h p s o m t a d r E r e d z t u h c S „ s e g a t s e d n u B n e h c s t u e d s e d n o i s s i m m o K - e t e u q n E : e l l e u Q Heute kommt bei der Bevorzugung des Erdgases der Umweltaspekt hinzu: Die Abgase von Erdgas sind nahezu frei von Schwefeldioxid und Feinstaub. Auch die Emission von Stickoxiden, die bei jedem Verbrennungsprozess ent- stehen, ist bei Erdgasfeuerungen vergleichsweise gering und wird durch die Verbesserung der Feuerungstechnik 0 o k n u h l e a r B h l e o k e i n S t ö l e r ) e i z w h H ( s c ö l t ) h e i z H (l e i c s a g d r E CO2-Emissionen der verschiedenen Brennstoffe in Gramm; CO2/kWh im Abgas

15 Das Energiewirtschaftsgesetz war keine originäre Schöp- fung des „Dritten Reichs“, sondern Ergebnis eines drei Jahrzehnte währenden Diskussionsprozesses und letztlich ein Beleg für die Kontinuität ordnungspolitischer Leitvor- stellungen in der Elektrizitätsfrage über alle System- und Epochengrenzen hinweg. Wesentlich wichtiger für die Weichenstellung in der deutschen Stromwirtschaft war der „Elektrofrieden“ am Ende der zwanziger Jahre. Das zweifach geschützte Vollmonopol als Daseinsvorsorge Umgesetzt wurde das Gesetz (zweifach geschützt) zum einen durch den Abschluss von Demarkationsverträgen, die zwischen einzelnen Energieversorgungsunternehmen geschlossen wurden. Durch solche Verträge wurden bestimmte räumliche Bereiche abgesteckt, in dem ein Unternehmen unter Ausschluss anderer Versorgungs- unternehmen Energie liefern konnte. 7_2.0_2 Der zweite Pfeiler des Energiewirt- schaftsgesetzes von 1935 waren Kon- zessionsverträge zwischen Energiever- sorgungsunternehmen und Gemeinden. In ihnen wurde die Nutzung öffentlicher Wege für die Versorgung mit Strom, Gas, Wasser und das Anschluss- und Versorgungsmonopol geregelt. Die Kommunen erhielten (und erhalten auch heute noch) im Gegen- zug für die Gewährung des Leitungsrechtes eine Konzessionsabgabe. Dieses Entgelt für die Gemeinden für Strom und Gas wurden und werden bis heute in Cent- Beträgen je gelieferte Kilowattstunde vereinbart. Sie sind Bestandteil des vom Energiever sorger mit dem Endkunden abgerechneten Energiepreises. Die gesetzlich geregelte Bereitstellung von öffentlichen Einrichtungen für die Allgemeinheit, also Verkehrs- und Beförderungswesen, Gas-, Wasser-, und Elektrizitätsver- sorgung, Müllabfuhr, Abwasserbeseitigung, Bildungs- und Kultureinrichtungen, Krankenhäuser, Friedhöfe usw. nennt man Daseinsvorsorge. Das natürliche Monopol in der sozialen Marktwirtschaft Die Regelungen zur Daseinsvorsorge sind heute ver- fassungsrechtlich im Sozialstaatprinzip nach Artikel 20 Absatz 1 des Grundgesetz verankert. Wichtigstes Teilge- biet der Daseinsvorsorge ist der Infrastrukturauftrag. In der Art und Weise der Umsetzung des Infrastrukturauf- trages sind die Kommunen weitgehend frei. Die Maxime der Subsidiarität, d. h. das Überordnen von Selbstver- antwortung vor staatlichem Handeln, ist eine wichtige Grundlage der Europäischen Union und dem föderalen Staatssystem der Bundesrepublik Deutschland. Die zweite, das Energiewirtschaftsgesetz von 1935 ergänzende Regelung erfolgte am 3. Juli 1957. An die- sem Tag verabschiedete der Bundestag der alten Bun- desrepublik das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschrän- kungen (GWB). Dieses Gesetz ist der Erhaltung eines funktionierenden, ungehinderten und möglichst vielge- staltigen Wettbewerbs verschrieben. Die leitungsbezogenen Versorgungsnetze, wie z. B. Stromleitungen, Schienenwege, Straßen oder Telekom- munikationskabel befinden sich in einer besonderen Marktsituation, weil es wirtschaftlich wenig sinnvoll ist, Parallelnetze aufzubauen. Diesen Umstand bezeichnet die Wirtschaftswissenschaft als „natürliches Monopol“. Ursprünglich wurden nicht nur die Netze, sondern die gesamte Strom- und Gasversorgung als natürliche Mono- pole angesehen, die auch in einer Marktwirtschaft als gerechtfertigt gelten. In § 103 des GWB war der Wett- bewerb zwischen Energieanbietern deshalb untersagt. Bis zur Liberalisierung der Strom- und Gasmärkte waren deshalb Demarkationsverträge zulässig. Sie unterstan- den allerdings der Kartellaufsicht. Von der Ausnahme von dem ansonsten allgemein geltenden Kartellverbotes wurde starker Gebrauch gemacht. In den 1970er Jahren bestanden in der alten Bundesrepublik etwa 40 000 der- artige Absprachen. Die Energiewirtschaft in der DDR Eine eigene Geschichte hat die ostdeutsche Energie- wirtschaft. Vorläufer der DDR-Stromversorgung waren die Elektrowerke AG (Ewag) als Großstromerzeuger, die Berliner Bewag (im Ostteil der Stadt), vier Landesversor- ger und zahlreiche Stadtwerke. Die Stromwirtschaft in den östlichen Bundesländern befand sich bereits in den zwanziger Jahren größtenteils im Besitz der öffent lichen Hand und wurde nach dem Krieg ohne Ausnahme zu „Volkseigentum“ erklärt. Die DDR-Verfassung verbot ausdrücklich das Privateigentum an Kraftwerken. Die DDR erzeugte ihren Strom in acht „Kombinaten“, die für die Energieproduktion insgesamt verantwortlich waren. Diese Kombinate hatten auch für die Bereitstel- lung von Braunkohle, Erdgas und anderen Brennstof- fen zu sorgen. Die Verteilung der Energieträger oblag

17 17 Durch das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) von 1998 wurden die europäischen Vorgaben in Deutschland umgesetzt. Das bis dahin geltende Energiewirtschaftsge- setz von 1935 wurde durch ein Neues ersetzt. Die umfas- sende Marktöffnung von Versorgungsnetzen und die Einbeziehung privater Unternehmen in die Erstellung und Erbringung von Leistungen der Daseinsvorsorge bedeutet keineswegs den Wegfall hoheitlicher Aufgaben in diesen Bereichen. Vielmehr handelt es sich um einen aufwendi- gen Wandel von öffentlichen Aufgaben und Steuerungs- formen. So setzt die Liberalisierung einerseits neue For- men staatlicher Marktregulierung voraus, um etwa einen funktionsfähigen und diskriminierungsfreien Wettbewerb zu ermöglichen. Andererseits bestehen wichtige öffentli- che Interessen und Belange trotz der Liberalisierung fort. Resümee Die Strom- und Gaswirtschaft befindet sich derzeit also in der Phase der Umwandlung von einer Monopol- struktur in eine Wettbewerbsordnung. War zuvor eine Monopolsituation vorherrschend, charakterisiert durch geschlossene Versorgungsgebiete und eine dominie- rende Marktstellung der jeweiligen regionalen bzw. örtlichen Stromanbieter, ist seit einem Jahrzehnt ein wettbewerblicher Paradigmenwechsel zu erkennen. Der liberalisierte Energiemarkt beschreibt den Markt der leitungsgebundenen Energieversorgung durch die Energieversorgungsunternehmen mit Strom und Erdgas, bei dem möglichst viele Teile der Lieferkette dem freien Wettbewerb unterliegen. Durch den Wettbewerb sollen die Verbraucher zu den günstigsten Konditionen markt- gerecht versorgt werden. Die für die Versorgung benötigten Netze können ökono- misch nicht sinnvoll dem Wettbewerb unterzogen wer- den. Es macht wirtschaftlich keinen Sinn, Parallelnetze aufzubauen. Hier hat das jeweilige Unternehmen eine Monopolstellung. Damit der Netzbetreiber trotzdem den Zugang zu seinem Netz für alle zulässt, wird dieser Zugang wie auch die Entgelte für die Nutzung staatlich reguliert. Demarkationsvereinbarungen. Der zweite Eckpfeiler der Entwicklung hin zum wettbewerblichen Markt ist der gesetzliche Anspruch auf die Nutzung der Strom- und Gasnetze aller Unternehmen, die in diesem Bereich aktiv werden. Der entscheidende Punkt für die Verbraucher ist die Möglichkeit eines Anbieterwechsel zwischen Energie versorgungsunternehmen bzw. die Möglichkeit des Kunden, seinen Lieferanten frei zu wählen. Von den ersten Anfängen der Strom- und Gasversor- gung bis zu jener universellen, überall verfügbaren und unverzichtbaren Energie, ohne die unser modernes Leben undenkbar ist, war es ein langer Weg. Bahnbrechende Erfindungen, wirtschaftliche und politische Strukturver- änderungen waren nötig, um die Lebensverhältnisse für die Menschen tief greifend zu verbessern. Die Väter der leitungsgebundenen Energieversorgung konnten bei aller innovativen Kraft, geschäftlichem Weitblick und der Fähigkeit aus Fehlern zu lernen, wohl kaum voraussehen, wie vielfältig und nutzbringend sich die Anwendung von Strom und Gas im Alltag der Menschen entwickeln würde. Die Bedeutung der energetischen Revolution ist bis heute und zukünftig fundamental für alle technischen und wirt- schaftlichen Entwicklungen auf der ganzen Welt. Rechtliche Rahmenbedingungen Rechtliche Basis sämtlicher Aktivitäten der deutschen Ener- giewirtschaft ist das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), dessen jüngste, an das, die Liberalisierung einleitende, europäische Recht angepasste Fassung 2005 in Kraft getreten ist. Zweck dieses Gesetzes ist unter anderem die sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche und umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas. Im Bezug auf die Energielieferungen und den Handel soll „Wettbewerb im Netz“ gelten. Um dies zu ermögli- chen, ist im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) die Verpflichtung der Netzöffnung für Dritte fest- gelegt. Beim Netzbetrieb für die Allgemeine Versorgung hat sich der Gesetzgeber für den „Wettbewerb um das Netzgebiet“ entschieden. Die Preise für die eigentliche Strom- oder Gasliefe- rung unterliegen dem Wettbewerb. Die Preise für die Nutzung der Netze unterliegen der Regulierung durch die zuständige Regulierungsbehörde, der Bundesnetz- agentur (BNetzA). Kennzeichen der neuen Wirtschafts- ordnung ist auf der Seite der Unternehmen zum einen die weitgehende Aufhebung horizontaler und vertikaler Für die Gaswirtschaft sieht das EnWG einen vereinfachten Netzzugang vor. Damit müssen Unternehmen zukünftig nur noch einen Einspeise- bzw. einen Ausspeisevertrag abschließen, auch wenn der Transport ihres Erdgases durch die Netze mehrerer Eigentümer führt. Kooperati- onsvereinbarungen zwischen den Netzbetreibern sorgen für eine übergreifende Abwicklung des Transports.

Durchschnittliche monatliche Stromrechnung eines Drei-Personen-Haushalts mit 3 500 kWh/Jahr (in Euro) 70 60 50 40 30 20 10 0 52,38 54,43 56,76 50,14 20,30 20,82 21,70 22,49 60,20 62,50 24,50 24,90 40,66 41,76 15,51 16,68 46,99 18,67 25,15 25,08 28,32 29,84 31,56 32,73 34,27 35,70 37,60 49,95 12,35 37,60 1998 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008* chenden Umwandlungsanlagen, den Kraftwerken, erst zur Ver- brauchsreife geführt werden. Die unterschiedlichen Kraftwerks- typen wie derum weisen je nach Primär energieträger technische und wirtschaftliche Unterschiede auf (siehe LS Heft 2). Um die dar- aus resultierenden Einsatzmöglich- keiten deutlich zu machen, müs- sen wir uns an dieser Stelle mit den Begriffen Grundlast, Mittel- last und Spitzenlast beschäftigen. 19 Erzeugung, Transport, Vertrieb Quelle: BDEW Steuern und Abgaben (EEG, KWKG, Strom- steuer, Konzessionsabgaben, Mehrwertsteuer) * Stand April 2008 Zwar verschwimmen die Grenzen zunehmend, aber nach wie vor werden drei Lastbereiche unter- schieden, die unterschiedliche Kundenanforderungen abdecken. Welche Anlagentechnik im konkreten Fall eingesetzt wird, hängt vom Verhältnis der variablen und fixen Kosten ab und wird entscheidend von den Brenn- stoffpreisen beeinflusst. Die Grundlast deckt den Basisbedarf Die Grundlast umfasst den stets vorhandenen Basis- bedarf an elektrischem Strom, der weitgehend kon- stant über das Jahr ist, also unabhängig von Lasten- schwankungen. Zur Deckung der Grundlast werden in der Regel die Kraftwerke mit den niedrigsten Brenn- stoffkosten eingesetzt. Hierzu zählen in Europa vor allem Laufwasserkraftwerke, Braunkohlekraftwerke und Kernkraftwerke. Sie sind rund um die Uhr und nahezu ganzjährig im Einsatz. Groß- kraftwerke in der Grundlast weisen hohe Investitionskosten und im Betrieb relativ geringe variable Kosten auf. Bei 7_3.1_4 79 13 125 71 16 9 22 21 29 Erdgassteuer Konzessionsabgabe Anteilige Förderabgabe 7_3.1_3 Gegebenheiten ab. So gibt es Länder, in denen die Stromerzeugung stark auf einzelne Primärenergieträger konzent- riert ist. Zum Beispiel haben die Unter- nehmen in Österreich und Schweden die topografische Möglichkeit, in großem Umfang Laufwasserkraft werke einzusetzen. Wasserkraftwerke verursachen keine Brennstoffkosten und haben in diesen Ländern einen besonders hohen Anteil an der Stromerzeugung. Frankreich, Belgien und eine Reihe zentralosteuropä- ischer Länder hingegen haben in der Vergangenheit vor allem die Nutzung der Kernenergie gefördert. In den Niederlanden und teilweise in Großbritannien wiede- rum liegt der Schwerpunkt zur Erzeugung von elektri- schem Strom bei Gaskraftwerken, da beide Länder auf heimische Erdgas-Ressourcen zurückgreifen können. Deutschland weist einen breiter gestreuten Energie- mix mit Anteilen von Braun- und Steinkohlekraftwer- ken, Kernenergie und Gaskraft- werken, sowie ein zunehmender Anteil erneuerbarer Energien, auf. Bedeutendster heimischer Ener- gieträger ist hier die Braunkohle, auf die auch Tschechien, Polen und Griechenland zurückgreifen. In Deutschland gewinnt bei der regenerativen Energieerzeugung vor allem die Windkraft zuneh- mend an Bedeutung. 2008 1998 Die einzelnen Primärenergieträ- ger sind nicht unmittelbar nutz- bar, sondern müssen in entspre- Import/Produktion, Transport, Speicherung und Verteilung Mehrwertsteuer Quelle: BDEW Zusammensetzung des Erdgaspreises für Haushalte (in Prozent)

deren Einsatz und vielschichtiges Zusammenspiel durch die Kraftwerksbetreiber bzw. über den Stromgroßhan- delsmarkt koordiniert werden muss. Hierin liegt eine der wichtigsten Bestimmungsgrößen für den Strompreis. ebenso großen Anzahl unterschiedlicher Verbrauchs- bedarf und -entscheidungen zu koordinieren. Aus die- sem Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage ergibt sich der Großhandelspreis für elektrischen Strom. Der bestehende Kraftwerkspark kann so abgebildet werden, dass die einzelnen Kraftwerke nach den spe- zifischen Kosten, zu denen sie kurzfristig elektrischen Strom anbieten können, aufgereiht werden: beginnend mit den geringsten variablen Kosten und sukzessive wei- ter ansteigend. Die günstigsten Kraftwerke werden zuerst in Anspruch genommen. Steigt die Nachfrage an und sind die im Netz befindlichen Anlagen ausgelastet, werden zusätzliche Kapazitäten herangezogen, die dann allerdings höhere spezifische Erzeugungskosten aufweisen. Die zusätzlichen Erzeugungskosten, die anfallen, um die letzte nachge- fragte Menge zu bedienen, werden Grenzkosten genannt. Sie bestimmen im Grundsatz die Höhe des Strompreises am Schnittpunkt von Angebot und Nachfrage. 3.1.3 Stromhandel Die Kostenkurve ist eine der bestimmenden Faktoren der Strompreisbildung. Mit ihr können die Erzeugungskosten stundengenau ermittelt werden. In der Realität ändert sie sich von Tag zu Tag, je nachdem wie z. B. die einzel- nen Kraftwerke im Erzeugungspark verfügbar sind oder wie sich die Brennstoffpreise oder die CO2-Preise ent- wickeln. Ebenso verlagert sich die Nach- fragekurve beständig. Es sind also eine Vielzahl von verschiedenen Angebots- konstellationen mit einer mindestens 7_3.1_7 Die Grundmuster der Erzeugung und des Verbrauchs ändern sich nicht willkürlich. Dennoch gibt es kurzfristig eine Reihe von veränderlichen, teilweise unsicheren Ein- flussgrößen, wie z. B. das Wetter. 21 3.1.4 Strombörse Die verschiedenen und wechselnden Konstellationen von Stromangebot und Nachfrage werden in der wett- bewerblichen Elektrizitätswirtschaft durch die Preisbil- dung am Großhandelsmarkt, z. B. an der Strombörse, koordiniert. Börsen sind zeitlich und örtlich konzent- rierte Handelsplätze unter beaufsichtigter Preisbildung. Ziele sind eine gesteigerte Markttransparenz, die Stei- gerung der Effizienz und der Marktliquidität, die Ver- ringerung der Transaktionskosten sowie der Schutz vor Manipulationen. In Deutschland ist die zentrale Stromhandelsbörse EEX in Leipzig beheimatet. Über sie werden mittlerweile rund 25 % des deutschen Stromverbrauchs gehandelt. Auch in den anderen wichtigen Industrieländern sind seit der Liberalisierung der Energiewirtschaft in den 1980er und 1990er Jahren Strombörsen gegründet worden. Die Preise an der Strombörse spiegeln die aktuelle Knappheit der Ware Strom wider und stellen sicher, dass nur die jeweils wirtschaftlichsten Anlagen Strom 7_3.1_8 Struktur des Stromverbrauchs im Haushalt Struktur des Erdgasverbrauchs im Haushalt 8 % 12 % 17 % 15 % Kühl- und Gefrierschränke, andere Haushaltsgeräte Kochen, Trocknen, Bügeln und sonst. Prozesswärme Heizung Quelle: BDEW 1 % 14 % 85 % 29 % 19 % Warmwasser Warmwasser Kochen Unterhaltungselektronik, Telekommunikation, Computer Licht Heizung Quelle: BDEW

23 erneuernden und zu wartenden Freileitungen noch weit verbreitet. Auch innerhalb der einzelnen Länder unter- scheiden sich die Kosten für Erdarbeiten sehr je nach Bodenbeschaffenheit. Die Versorgungsinfrastruktur muss darüber hinaus an die Erfordernisse angepasst werden, die der wirtschaft- liche Strukturwandel und die Bevölkerungsentwicklung stellen. Als die heutigen Netzlandschaften in ihren Grundzügen geschaffen wurden, gab es in Deutsch- land umfangreiche Industriesektoren, die sich in den großen Ballungsräumen konzentrierten. In der zweiten Hälfte des 20sten Jahrhunderts zogen die Menschen zum Wohnen ins Umland der Städte. Heute hat sich dieser Trend wieder umgekehrt. Diese Entwicklungen stellen jeweils neue Anforderungen an das Netz. Zusätzliche Netzkosten entstehen aus dem Ausbau der erneuerbaren Energien. Besonders Windkraftanlagen werden oft abseits der großen Verbrauchszentren im Norden errichtet. Die Netzinfrastruktur ist hier nicht auf den Abtransport großer Strommengen eingerichtet und muss durch neue Leitungstrassen im Hoch- und Höchst- spannungsbereich angepasst werden. Da Windparks an meteorologisch sinnvollen Plätzen gebaut werden, ergibt sich außerdem ein Nord-Süd-Gefälle bei der Strompro- duktion aus Windkraft. Die Netzkosten, die sich aus Bereitstellung, Erhaltung und Ausbau ergeben, werden auf die Gesamtmenge des nachgefragten Stroms, also auf die durchgeleitete Kilowattstunde, umgelegt. 3.1.7 Energievertrieb Die Schnittstelle zwischen der Produktion und Vertei- lung von elektrischem Strom oder Erdgas und dem End- kunden bildet der Energievertrieb, die letzte Stufe der energiewirtschaftlichen Wertschöpfungskette. Die Hauptaufgaben jeden Vertriebs liegen in der Bin- dung bestehender und in der Gewinnung neuer Kun- den. Außerdem hat er die Funktion, die Kunden zu infor- mieren und zu beraten. Bei den großen europäischen Energieversorgungs- unternehmen werden die Vertriebsaufgaben in der Regel von eigenständigen Tochterunternehmen wahr- genommen. Gleichwohl bestehen in den Ländern der EU historisch und wirtschaftsstrukturell bedingte Unterschiede in den Vertriebsmodellen. In Deutsch- land ist der Strom- und Gasvertrieb z. B. eher klein- teilig und stark lokal ausgerichtet. Neben den Ver- triebsgesellschaften größerer Unternehmen ist eine große Zahl von Regionalversorgern und Stadtwerken im Wettbewerb aktiv. Hauptsächlich in spezialisierten Marktsegmenten wie dem Verkauf von elektrischem Strom aus erneuerbaren Energien sind teilweise auch reine Vertriebsunter nehmen als neue Marktteilnehmer auf den Plan getreten. In ehemals zentralistisch organi- sierten Strommärkten herrschen heute hingegen auch landesweit einheitliche Vertriebsmodelle vor, so z. B. in Großbritannien. 3.2 Die Preisbildung Der Preismechanismus stellt in einem marktwirtschaft- lich organisierten System das entscheidende Element bei der Steuerung von Angebot und Nachfrage dar. Diese Steuerungsfunktion kann der Preismechanismus dann am besten wahrnehmen, wenn sich der Preis frei im Wettbewerb bildet. Ein freier Preis ist der beste Garant für eine höchstmögliche Effizienz der Marktversorgung. Eingriffe in den Wettbewerb widersprechen marktwirt- schaftlichen Grundprinzipien. Soweit sie dennoch erfol- gen, sind sie in jedem Einzelfall begründungspflichtig: sie lassen sich nur rechtfertigen, wenn übergeordnete Ziele anders nicht zu erreichen sind. Preisbildung beim Erdgas Ein wichtiger Meilenstein der Öffnung des Erdgas- marktes war die zweite Novellierung des Energiewirt- schaftsgesetzes (EnWG) im Jahr 2005. Diese Novelle regelt unter anderem die Entflechtung von Energieun- ternehmen sowie den vereinfachten Netzzugang. Bei kleineren und mittleren Unternehmen betrifft die Ent- flechtung von Netz und anderen Bereichen (z. B. dem Erdgasvertrieb) die Rechnungslegung und den Informa- tionsfluss. Größere Erdgasversorger wurden dazu verpflichtet, rechtlich selbstständige Netzgesellschaften zu gründen. Durch die Entflechtung wird gewährleistet, dass alle Anbieter den Zugang zu den Netzen zu den gleichen Bedingungen erhalten und zur Belieferung ihrer Kunden nutzen können. Überwacht wird das von der Bundes- netzagentur (für Unternehmen mit mehr als 100 000 Kunden) sowie den Landesregulierungsbehörden. Sie sind für kleinere Unternehmen zuständig, können ihre Aufgaben aber ebenso an die Bundesnetzagentur über- tragen.

Steuern und Abgaben auf Strom (in Mrd. Euro) 2,0 0,3 1998: 2,3 Mrd. Euro gesamt1) 2,2 4,9 6,4 0,6 2008: 14,1 Mrd. Euro gesamt1) 2) Konzessionsabgabe Erneuerbare Energien-Gesetz3) Stromsteuer Kraft-Wärme- Kopplungsgesetz Dort, wo sich die beiden Kurven schneiden ergibt sich ein Gleich- gewichtpunkt, der Preis. Auf den Märkten für Strom und Gas gibt es derzeit viel Bewegung. Wie kommen die Schwankungen zustande? Welche Faktoren neh- men Einfluss auf das Angebot von Strom und Gas? 25 Quelle: BDEW 7_3.3_2 und dem Erneuerbare-Energien-Gesetz hinzu. Insgesamt machen Steuern und an dere Abgaben 40 % des Strompreises für Haus haltskunden aus. Im deutschen Gasmarkt machen Umsatzsteuer, antei- lige Förderabgaben und Konzessionsabgaben 29 % des Endpreises für den privaten Haushalt aus. 3.4 Angebot und Nachfrage Der zentrale Grundsatz eines jeden Marktgeschehens ist das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage. Nachfrage ist die Menge an Gütern, die die Konsu- menten zu einem bestimmten Preis kaufen wollen. Angebot bezeichnet die Menge, die Erzeuger zu einem bestimmten Preis zu produzieren bereit sind und dies auch können. Ist die Menge des Angebots auf einem Markt gleich der Nachfragemenge, spricht man in den Wirtschaftswissenschaften von einem Marktgleich- gewicht. 7_3.4_1 Damit, wie Wettbewerbsmärkte funk- tionieren, beschäftigte sich zum ers- ten Mal Adam Smith 1776 in seinem Buch „Wohlstand der Nationen“. Im späten 19. Jahrhundert entstand dann der Grundge- danke des Grenzpreises. Der Preis wird hier durch die Summe festgesetzt, die ein Käufer höchstens zu zahlen bereit ist. Letztendlich durchgesetzt hat sich in den Wirtschafts- wissenschaften der Standpunkt, dass Wettbewerbs- märkte über Angebot und Nachfrage funktionieren. 1) ohne Mehrwertsteuer 2) Schätzung Juli 2008 3) bis 2000: Stromeinspeisungsgesetz Wetter, Politik und technischer Fortschritt sind hier die Schlüssel- begriffe. Besonders deutlich sind die Auswirkungen im Fall von Naturkatastrophen und Unfällen. Zum Beispiel trieben 2005 die verheerenden Verwüs- tungen von Förder- und Verarbeitungsanlagen durch Hurrikan „Katrina“ die Rohölpreise auf Rekordhöhen. Selbst wenn die Nachfrage dann sehr groß und der Preis dementsprechend hoch ist – die Anbieter können nicht mehr verkaufen, obwohl sie gerne würden. Ihnen fehlt es in einer solchen Ausnahmesituation schnell an Vorräten oder an Produktionsmöglich keiten. 7_3.4_2 Das Angebot an Energieträgern wird aber auch durch politische Ereignisse beeinflusst. Länder mit besonders großen Energievorräten können die Abhängigkeit anderer dazu nutzen, ihre Interessen durchzusetzen oder auch um die Preise bewusst zu beeinflussen. Konflikte und Unruhen in wichtigen För- derländern sorgen oft weltweit für Angst und Versor- gungsengpässe. Nicht nur auf der Angebotsseite sondern auch auf der Nachfrageseite lassen sich solche Zusammenhänge beobachten. Das besondere Interesse an einem Roh- stoff oder einem Energieträger kann den Preis in die Höhe treiben. Ursache für eine Nachfragesteigerung können zum Beispiel technische Neuerungen sein, die zusätzliche Verwendungsmöglichkeiten für einen Ener- gieträger aufdecken. Ein Beispiel aus der jüngsten Zeit ist die Preisexplosion für Mais in Mexiko. In Mexiko-Stadt ist der Preis für ein Kilo Tortillas binnen sechs Wochen von 40 auf 75 Eurocent gestiegen. Mais wird in den USA zu Biosprit verarbeitet, d. h. er wird nicht mehr nur allein als Nahrungsmittel angebaut und gehandelt, sondern spielt neuerdings auch als Energiepflanze eine wichtige Rolle.

4 Grundelemente der Energiepolitik Wie wir bereits gesehen haben, sind nicht nur die Unter- nehmen und die privaten Haushalte wichtige Akteure im Bereich der Energiewirtschaft. Auch der Staat greift in das Geschehen ein. Er setzt die poli- tischen Rahmenbedingungen, innerhalb derer alle Handlungen auf den Energie- märkten ablaufen sollen. 7_4.0_1 Unter dem Begriff der „Energiepolitik“ fasst man alle poli- tischen Prozesse zusammen, mit denen die Bereitstellung, Umwandlung, Verteilung und Verwendung von Energie geregelt wird. Die Energiepolitik ist damit von zentraler Bedeutung für die Wirtschafts-, Struktur- und Beschäf- tigungspolitik eines Landes. Dabei gibt es einige Berüh- rungspunkte mit anderen Politikfeldern, zum Beispiel der Umwelt-, der Außen- und der Sicherheitspolitik. Wirtschaftlichkeit, Versorgungssicherheit und Umwelt- verträglichkeit: Dies sind die Ziele, auf die sich die Akteure der Energiepolitik verständigt haben. Diese Ausrichtung wird auch das energiepolitische Zieldreieck genannt. Eine nachhaltige Energiepolitik wahrt die Balance zwischen allen drei Zielen und verfolgt ökonomische, ökologische und sozialverträgliche Ziele gleichrangig. Ziel Wirtschaftlichkeit Den Preisen für Energieträger, etwa den Verbraucher- preisen für elektrischen Strom oder Erdgas, kommt naturgemäß eine wichtige ökonomische Rolle zu, da kommerzielle Energie für jede entwi- ckelte Volkswirtschaft unverzichtbar ist. Sie bestimmt maßgeblich, welche Kosten der Privathaushalt zur Erfüllung grund- 7_4.0_2 Energiepolitisches Zieldreieck W E W V : e l l e u Q Versorgungssicherheit 27 legender Bedürfnisse wie Heizung oder Beleuchtung zu tragen hat. In Industrie, Gewerbe und Dienstleistung beeinflussen sie die Höhe der Produktionskosten und die internationale Wettbewerbsfähigkeit. Damit ist aber nur die eine Seite des Wirtschaftlichkeitsaspekts der Energie- versorgung angesprochen. Denn weiterhin bestimmt die Höhe der Energiepreise auch das von der Energiewirt- schaft erzielbare Niveau der Investitionen in ausreichende und effiziente Erzeugungs- und Übertragungsanlagen. Über die Energiepreise wird also auch der Stand der Ver- sorgungssicherheit und die Förderung der Umweltver- träglichkeit der Energieversorgung erreicht. Ziel Versorgungssicherheit Versorgungssicherheit bedeutet, für die Energienach- frage jederzeit ein ausreichendes Angebot an Energieträ- gern sicherzustellen. Als rohstoffarmes Land ist Deutsch- land in besonderem Maße auf Importe angewiesen. Je vielfältiger der Energiemix ist und je mehr Bezugsquellen überall auf der Welt genutzt werden, desto sicherer ist die Versorgungslage. Die Erforschung und Erschließung neuer Energiequellen ist ein unerlässlicher Schritt in die Zukunft. Wichtig ist auch die effiziente Energieverwen- dung, denn auch die Reduzierung des Energiebedarfs trägt zur Versorgungssicherheit bei. Ziel Umweltverträglichkeit Wirtschaftlichkeit Unter Umweltverträglichkeit wird die möglichst scho- nende Nutzung der natürlichen Ressourcen verstan den. Im Energiebereich gehört wirksamer Klimaschutz zu den weltweit größten Herausforderungen. Kraftwerksparks müssen modernisiert und Wirkungsgrade optimiert wer- den. Effiziente Technologien zur CO2-Vermeidung müs- sen entwickelt werden. Nur ein weltweiter Technologie- transfer sichert global einen nachhaltigen Klimaschutz. Damit wirksame Klima- schutzpolitik sich nicht nega- tiv auf die Wettbewerbspo- sition unserer Unternehmen auswirkt, müssen Maßnah- men zur Emissionsminde- rung nicht allein national, sondern möglichst im euro- päischen und internationa- len Verbund vorangetrieben werden. Umweltverträglichkeit

Kenndaten der Strom- und Gaswirtschaft 2007 29 Stromversorgung Beschäftigte (Tsd.) 1997 20061) 20071) Änderung zum Vorjahr in Prozent Gasversorgung 171,1 122,2 121,7 – 0,4 Beschäftigte (Tsd.) Umsatz (Mrd. Euro) aus dem Stromverkauf an Letztverbraucher3) 41,2 56,0 56,0 0,0 Umsatz (Mrd. Euro) aus dem Gasverkauf an Letztverbraucher 1997 44,8 2006 20071) 35,0 35,0 17,8 37,1 37,0 Investitionen (Mrd. Euro) 5,9 4,8 6,72) + 39,6 Investitionen (Mrd. Euro) 2,8 1,8 1,852) Netto-Kraftwerkskapazität Inländ. Erdgasförderung (Mrd. kWh) 201,3 181,6 166,3 – insgesamt (GW) 113,1 138,4 143,3 – allgem. Versorgung 4) (GW) 102,3 101,9 104,4 + 3,5 + 2,5 Erdgaseinfuhr (Mrd. kWh) 791,2 1 007,6 923,9 Erdgasaufkommen (Mrd. kWh) 992,5 1 189,2 1 090,2 Netto-Stromerzeugung Erdgasausfuhr (Mrd. kWh) 38,5 161,7 163,1 – insgesamt (Mrd. kWh) 513,5 597,2 597,3 0,0 Erdgasabsatz (Mrd. kWh) 895,1 973,4 925,0 – allgem. Versorgung 4) (Mrd. kWh) 459,5 504,9 492,1 – 2,5 Zahl der Kunden (Mio.) 17,3 20,0 20,2 Änderung zum Vorjahr in Prozent – · + 2,8 – 8,4 – 8,3 – 8,3 + 0,9 – 5,0 + 1,0 Netto-Stromverbrauch Rohrnetzlänge (km) 335 345 410 000 420 000 + 2,4 – insgesamt (Mrd. kWh) 482,9 539,6 541,0 + 0,3 – Niederdrucknetz 123 688 131 000 133 000 + 1,5 – allgem. Versorgung 4) (Mrd. kWh) 455,7 523,1 522,0 Stromeinfuhr (Mrd. kWh) Stromausfuhr (Mrd. kWh) 37,8 40,2 46,1 65,9 44,3 63,4 Saldo (Mrd. kWh) – 2,4 – 19,8 – 19,1 Zahl der Kunden (Mio.) Tarifkunden und Kunden mit Sonderabkommen (Mio.) Sondervertragskunden (Mio.) Stromkreislängen (Mio. km) 43,0 44,5 44,5 0,30 1,57 0,32 1,67 0,32 1,67 – 0,2 – 4,1 – 3,8 · – – – – Mitteldrucknetz 117 481 173 000 180 000 + 4,0 – Hochdrucknetz 94 176 106 000 107 000 + 0,9 Untertage-Erdgasspeicher – Anzahl 39 44 46 · – Kapazität (Mio. m3) 15 450 19 138 19 918 + 4,1 1) vorläufig 2) Planungsstand Frühjahr 2007 3) ohne Stromsteuer 4) einschließlich Deutsche Bahn AG Quellen: BDEW, BMWi, Statistisches Bundesamt, Niedersächsisches Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie 7_5.0_4 der fast die gesamte Ostküste für mehr als 24 Stunden von der Versorgung abschnitt. Der geschätzte volkswirtschaftliche Schaden lag bei etwa sechs Milliarden US-Dollar. Ende Novem- ber 2005 knickten bei einem „Jahrhundertereignis“ nach heftigen Schneefällen, Eis regen und starkem Wind circa 80 Hochspannungs masten im Münsterland um. Es entstand ein Schaden von 100 Mrd. Euro. Dabei sind nicht nur direkte Kosten berücksichtigt, die beispielsweise durch den Einsatz von Notaggregaten oder Reparaturen beschädigter Leitungen entstehen. Infolge eines Blackouts stehen viele Produktionspro- zesse vorübergehend still. Das hat nicht nur Folgen für einen einzelnen Betrieb, sondern auch für nachgela- gerte Wirtschaftsbereiche und damit für die gesamte Volkswirtschaft.

W E W V : e l l e u Q Weltenergieverbrauch bis 2060 in Exajoule 1600 1400 1200 1000 800 600 400 200 0 1940 2000 2060 31 geo-/ozea- nische Energie Sonstiges Kernenergie Windenergie Wasserkraft Erdgas Kohle Solarenergie Erdöl trad. Biomasse und der Einstieg in die Off- shore-Windenergie, d. h. der Windstromerzeugung vor Deutschlands Küsten, mit der noch im Jahr 2008 zu rech- nen ist. Schreitet der Ausbau der Off- shore-Windenergie so voran wie derzeit geplant, könnte diese im Jahr 2014 bereits sieben Prozent des gesamten Stromverbrauchs in Deutsch- land decken. Hinzu kämen zehn Prozent aus Windener- gieanlagen an Land. Bio- masse kommt in dieser Pro- gnose auf einen Anteil von ungefähr sechs Prozent am Stromverbrauch, Wasser auf vier und Fotovoltaik auf ein Prozent. 7_6.0_2 Erneuerbare Energien deckten 2007 bereits 14 % des Stromverbrauchs in Deutschland. Das von der EU für 2010 gesteckte Ziel von 12,5 % Anteil war damit deutlich übertroffen. Bis 2014 könnten neuesten Vorhersagen zufolge bereits 28 % der Stromversorgung in Deutschland aus erneuerbaren Energien gespeist werden. Hauptgrund für diese erfreuliche Entwicklung wäre der Zubau von Windenergieanlagen an Land, der Umsetzung von geplanten Biomasse- und Solaranlagen Das heißt aber auch im Umkehrschluss: Circa 70 % der Stromversorgung basiert weiterhin auf konventionellen Kraftwerken. Zur Erfüllung der Klimaschutzziele benötigt Deutschland in diesem Segment neue, noch effizientere Kraftwerke. Der Wirkungsgrad (siehe LS Heft 2) der deut- schen Erzeugungsanlagen, die fossile Brennstoffe nutzen, beträgt im Durchschnitt gut 40 %. Welt- weit liegt der Wirkungsgrad bei 30 %. Neue Anlagen erzielen in Deutschland Wirkungsgrade von mehr als 45 %. 7_6.0_3 Weltbevölkerungswachstum in Mio. W E W V : e l l e u Q 9 000 8 000 7 000 6 000 5 000 4 000 3 000 2 000 1000 In den letzten 200 Jahren ist die Weltbevölkerung über-exponentiell gewachsen.

33 Glossar ökonomischer und energiewirtschaft licher Grundbegriffe 7_7.0_1 Bei der Anreizregulierung gibt die Bundesnetzagentur zukünftig vor, in welchem Umfang die Entgelte für den Netzbetrieb in einem bestimmten Zeit- raum sinken sollen. Dabei orientiert sich die Effizienzvor- gabe an den besten Unternehmen – eine Herausforde- rung für die Strom- und Erdgasunternehmen. Arbeitsteilung beschreibt die Zerlegung eines Arbeits- prozesses in voneinander getrennte Teilprozesse auf innerbetrieblicher, zwischenbetrieblicher und internatio- naler Ebene. Über die verschiedenen Formen der Arbeits- teilung sollen Produktivitätsfortschritte erzielt werden. Auslastung (Nutzungsgrad) bezieht sich auf die jeweili- gen Betriebsmittel. Sie werden nach der Beschäftigungs-, Fertigungs- und der Betriebsmittelauslastung unterschie- den. In diesen Zusammenhang ist die Auslastung eine Maßzahl für die Nutzung eines Betriebsmittels in einem bestimmten Zeitraum. Automation – die Anfänge der Automatisierung sind wohl fast so alt wie die Menschheit selbst: Wo immer der Mensch erkannte, dass er Energien der Natur wie Wasserkraft oder Arbeitstiere nutzen konnte, erfand er entsprechende Geräte und Technologien (Pflug, Rad, Wasserrad, Mühle), um sich die Arbeit zu erleichtern und produktiver zu machen. Der Webstuhl existierte bereits im Neolithikum, Windmühlen finden sich schon bei den Sumerern (3 500 v. Chr.). Heute definieren wir Automa- tion als die durch technischen Fortschritt realisierte Über- tragung von Arbeit vom Menschen auf Maschinen. Ein Bedürfnis ist das subjektive Empfinden eines Man- gels verbunden mit dem Bestreben, diesen zu beseiti- gen. Neben lebensnotwendigen Grundbedürfnissen treten Sekundärbedürfnisse auf. Unter Bedarf versteht man Bedürfnisse, die sich durch konkrete Güter befrie- digen lassen. Den Teil des Bedarfs, der durch Kaufkraft gedeckt ist, bezeichnet man als Nachfrage. Börsen sind zeitlich und örtlich konzentrierte Handels- plätze unter beaufsichtigter Preisbildung. Ziele sind eine gesteigerte Markttransparenz, die Steigerung der Effi- zienz und der Marktliquidität, die Verringerung der Trans- aktionskosten sowie der Schutz vor Manipulationen. Die zentrale Aufgabe der am 13. Juli 2005 eingesetzten Bundesnetzagentur im Energiebereich ist: die Über- wachung des diskriminierungsfreien Zugangs zu den Netzen. Sie kontrolliert außerdem die Höhe der Netzent- gelte bei Unternehmen mit mehr als 100 000 Kunden. Für kleinere Unternehmen sind die Landesregulierungs- behörden zuständig, sofern die Aufgaben nicht an die Bundesnetzagentur übertragen wurden. Daseinsvorsorge stellt zur Grundversorgung öffentli- che Einrichtungen für die Allgemeinheit sicher, wie z. B. das Verkehrs- und Beförderungswesen, die Gas-, Was- ser-, und Elektrizitätsversorgung, die Müllabfuhr, die Abwasserbeseitigung, Bildungs- und Kultureinrichtun- gen, Krankenhäuser, Friedhöfe usw. Der diskriminierungsfreie Netzzugang ist die Basis des Wettbewerbs in der leitungsgebundenen Energie- wirtschaft. Das EnWG sieht vor, dass Netzbetreiber allen Anbietern ihre Netze zu den gleichen Bedingungen zur Verfügung stellen müssen. Das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) ist das „Grund- gesetz“ der deutschen Energiewirtschaft. Es regelt seit April 1998 den diskriminierungsfreien Netzzugang und setzt die Vorgaben der europäischen Beschleunigungs- richtlinien in nationales Recht um. Zentrale Inhalte der EnWG-Novellierung 2005 sind: Trennung des Netzbe- reichs von den übrigen Unternehmensbereichen, die behördliche Genehmigung der Netzentgelte sowie eine gesetzliche Regelung der Netzzugangsbedingungen im Erdgas- und Strommarkt. Die Entflechtung beinhaltet die informatorische, buch- halterische, organisatorische und gesellschaftsrechtliche Trennung verschiedener Geschäftsbereiche der Ener- gieversorger. Nach den Vorgaben des EnWG müssen Energieunternehmen mit mehr als 100 000 Kunden den Netzbetrieb von anderen Wettbewerbsbereichen (wie Erzeugung und Vertrieb) gesellschaftsrechtlich trennen. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) unterstützt den Ausbau von Energieerzeugungsanlagen, die erneu- erbare Energien zur Stromerzeugung nutzen. Es regelt die Vergütungssätze für die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien (Windkraft, Sonnenenergie, Wasserkraft, Biomasse). Die European Energy Exchange (EEX) mit Sitz in Leipzig ist eine Handelsplattform. Sie betreibt für Strom und Erdgas einen Spotmarkt (ein vereinbartes Geschäft, bestehend aus Lieferung, Abnahme und Bezahlung wird unmittelbar abgewickelt) und einen Terminmarkt (hier werden Verträge über zukünftig zu erfüllende Geschäfte geschlossen. Der Preis wird bereits bei Vertragsabschluss

W E W V : e l l e u Q 35 zient wäre, konkurrierende Parallelnetze aufzubauen. Vielmehr nehmen die gesamtwirtschaftlichen Vorteile, die aus einer gegebenen Versorgungsinfrastruktur zu ziehen sind, mit der Anzahl der angeschlossenen Nut- zer zu. W E W V : e l l e u Q eine ganze Volkswirtschaft eines Landes bzw. der Welt erstrecken, und es gibt virtuelle Märkte im Internet. 7_7.0_3 Marktwirtschaft bezeichnet einen Ordnungstyp, in dessen Rahmen die individuellen Handlungen der am Wirtschaftsprozess teilnehmenden Akteure vor allem über Märkte koordiniert werden. Wesentliche Merk- male sind die Sicherung des Privateigentums, die Preis- bildung über Märkte, die dezentrale Planung und Len- kung sowie die betriebliche Ergebnisrechnung mit dem Gewinnprinzip. Massenproduktion ist die Herstellung von großen Mengen gleicher Produkte unter Verwendung von aus- tauschbaren, standardisierten Einzelteilen in maschineller Fertigung. Ein Monopol nennt man eine Marktform, in der für ein ökonomisches Gut nur ein Anbieter oder nur ein Nach- frager existiert. Natürliche Monopole basieren in erster Linie auf lei- tungsbezogenen Versorgungsnetzen, wie z. B. Strom- leitungen, Schienenwegen, Straßen, Flugplätzen oder Telekommunikationskabeln, also Gütern, die in ihrer Leistungserbringung auf eine entspre- chende Infrastruktur angewiesen sind. Ein natürliches Monopol liegt dann vor, wenn es volkswirtschaftlich nicht effi- 7_7.0_4

Anmerkungen Die Abkürzung „LS“ steht für „Lernsequenzen“. Im Text des Heftes finden Sie Symbole, die auf ergän- zende Materialien hinweisen und deren Nummerie- rung folgendermaßen zu lesen ist: Die erste Ziffer steht für die Nummer des Heftes, die mittlere für das Kapitel und die letzte für die laufende Nummerierung innerhalb des Kapitels (z. B. 7_1.2_1: Heft 7, Kapitel 1.2, Abbildung 1). 7_1.2_1 Grafiken und Abbildungen 7_1.2_1 Tabellen und Diagramme 7_1.2_1 Arbeitsblätter und Aufgaben Impressum Herausgeber BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e. V. Reinhardtstraße 32 10117 Berlin Ansprechpartnerin und Autorin Birgit Henrichs Tel.: 030 / 300 199 - 11 65 Fax: 030 / 300 100 - 31 65 E-Mail: birgit.henrichs@bdew.de Redaktion Jürgen Auer, GNS Gesellschaft für Nuklear-Service mbH, Gorleben Reinhard Dreischer, RWE Westfalen-Weser-Ems AG, Bochum Tatjana Holzenhauer, EW Medien und Kongresse GmbH, Essen Grafische Gestaltung INKA Medialine, Frankfurt am Main Illustrationen Atelier Lothar Reinhardt, Bad Münster am Stein Druck Nino Druck GmbH, Neustadt an der Weinstraße Copyright und Verlag EW Medien und Kongresse GmbH Kleyerstraße 88 60326 Frankfurt am Main www.ew-online.de | www.energie.de Ansprechpartnerin Bildung und Schule Tatjana Holzenhauer Tel.: 0 20 54 / 924 -120 Fax: 0 20 54 / 924 -159 E-Mail: tatjana.holzenhauer@ew-online.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne schriftliche Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt vor allem für Vervielfältigungen in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikros- kopie oder ein anderes Verfahren). Weiterhin sind Überset- zungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektro- nischen Systemen verboten. 1. Ausgabe, November 2008 Bestell-Nr. 6750 17 ISBN 978-3-8022-0930-7 Wir danken der Arbeitsgruppe „Lernsequenzen“ des Fach- aus schusses „Schulkommunikation“ des BDEW für ihre Unterstützung.